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Institut für charismatisches Führen

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Martin Haase

Anti-Charisma

27. Juli 2025 by Martin Haase

Zur Nega­tion per­son­aler Ausstrahlung in Führung und Gesellschaft

Charis­ma wird als außergewöhn­liche Ausstrahlungskraft definiert, die eine anziehende Wirkung auf andere Per­so­n­en hat. Der Gegen­be­griff beschreibt jedoch nicht lediglich das Fehlen von Charis­ma (A‑Charisma). Das Gegen­teil von Charis­ma ist eine aktiv ent­ge­genge­set­zte Dynamik, die im wis­senschaftlichen Diskurs als Anti-Charis­ma beze­ich­net wird. Dies ist keine unauf­fäl­lige oder emo­tion­sarme Erschei­n­ung, son­dern eine Form neg­a­tiv­er Res­o­nanz, die Ver­trauen, Anziehung und sym­bol­is­che Autorität unter­gräbt.

Anti-charis­ma­tis­che Führungsper­sön­lichkeit­en zeigen kom­mu­nika­tive Intrans­parenz, emo­tionale Abkop­pelung, rigide For­mal­ität und struk­turelle Macht­losigkeit. Ihre Wirkung auf soziale Grup­pen ist eher demo­bil­isierend als mobil­isierend. Während charis­ma­tis­che Autorität (nach Max Weber) auf per­sön­lich­er Hingabe und Begeis­terung basiert, führt Anti-Charis­ma zu Ent­frem­dung, Desin­ter­esse oder Aver­sion.

Psy­chol­o­gisch kann Anti-Charis­ma als emo­tionale Dis­so­nanz, fehlende Authen­tiz­ität oder soziale Iner­tie beschrieben wer­den. Sozi­ol­o­gisch tritt es häu­fig in Kon­tex­ten extremer Bürokratisierung oder tech­nokratis­ch­er Führung auf, in denen die per­sön­liche Präsenz durch abstrak­te Sys­teme erset­zt wird. In der Führungsethik stellt Anti-Charis­ma die Frage nach der Möglichkeit, Ver­ant­wor­tung ohne Wirkung zu tra­gen und nach der Legit­im­ität von Wirk­samkeit ohne Ausstrahlung.

Anti-Charis­ma ist nicht nur ein Man­gel, son­dern ein aktives Gegen­prinzip zur charis­ma­tis­chen Führungs­fig­ur. Es weist auf das Zer­brechen sym­bol­is­ch­er Bindungskraft und das Erkalten sozialer Dynamik hin. Die Analyse ist nicht nur the­o­retisch rel­e­vant, son­dern auch aktuell, angesichts zunehmender Führungskrisen in Poli­tik, Kirche und Wirtschaft.

Kategorie: Artikel Stichworte: AntiCharisma, charisma, CharismaVsAntiCharisma, führung, Führungsforschung, Führungstheorie, LeadershipCrisis, LeadershipMatters, Organisationssoziologie, PsychologieDerFührung, SozialeDynamiken, Soziologie, SymbolischeMacht, WeberRevisited

Charismatische Führungsvorbilder in deutschen Balladen?

27. Juni 2025 by Martin Haase

Mar­tin Haase / © pri­vat

Die Frage nach ethis­ch­er Führung ist ein zen­trales The­ma in den Wirtschafts‑, Sozial- und Geis­teswis­senschaften. Ver­trauen­skrisen, Führungsver­sagen und autoritäre Ten­den­zen zeigen, dass Charis­ma als Führungskom­pe­tenz nur dann Bestand hat, wenn es auf ethis­chen Prinzip­i­en basiert. Die deutsche Lit­er­atur bietet hierzu zahlre­iche Denkan­sätze. Ins­beson­dere klas­sis­che Bal­laden aus dem 18. und 19. Jahrhun­dert zeigen Fig­uren, deren Führungsanspruch, Ein­fluss oder moralis­che Wirkung zwis­chen Charis­ma und ethis­ch­er Integrität liegen.

Ethis­che Führung — ein mod­ern­er Bezugsrah­men
Die The­o­rie der ethis­chen Führung beschreibt ein Ver­hal­ten, das von Fair­ness, Integrität, Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein sowie der Aus­rich­tung am Gemein­wohl geprägt ist. Eine Führungskraft ist dabei nicht nur ein moralis­ches Vor­bild, son­dern schafft auch aktiv ein Umfeld, in dem ethis­ches Ver­hal­ten gefördert und Fehltritte geah­n­det wer­den.

Charis­ma kann hier­bei stärk­end wirken, ent­fal­tet seine pos­i­tive Kraft jedoch erst mit moralis­ch­er Ver­ant­wor­tung, wie die Bal­laden­dich­tung zeigt. Ohne diese Ver­ankerung dro­ht Charis­ma in Manip­u­la­tion, Macht­miss­brauch oder Führungsver­sagen umzuschla­gen.

Deutsche Bal­laden als nar­ra­tive Mod­elle ethis­ch­er Führung
Die deutsche Bal­laden­tra­di­tion, beson­ders die Werke Friedrich Schillers, bietet lit­er­arische Szenar­ien, die Aspek­te ethis­ch­er Führung beispiel­haft darstellen. Die Fig­uren han­deln oft in Gren­zsi­t­u­a­tio­nen, die eine moralis­che Hal­tung, Mut und Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein erfordern. Dies sind klas­sis­che Eigen­schaften ethisch begrün­de­ter Führung.

Ein her­aus­ra­gen­des Beispiel ist Schillers ​„Die Bürgschaft” (1799). Die Fig­ur des Damon verkör­pert per­sön­liche Integrität und Ver­lässlichkeit und führt durch ihr vor­bild­haftes Han­deln einen gesellschaftlichen Trans­for­ma­tion­sprozess her­bei. Seine Bere­itschaft, das eigene Leben für sein Wort und die Fre­und­schaft einzuset­zen, zeigt höch­ste ethis­che Prinzip­i­en wie Aufrichtigkeit, Ver­ant­wor­tung und Gemein­wohlo­ri­en­tierung. Bemerkenswert ist, dass Damon keine for­male Macht­po­si­tion innehat. Seine Führungswirkung ent­fal­tet sich allein über moralis­che Autorität und ein glaub­würdi­ges Vor­bild.

Die Bal­lade zeigt zudem den Lern­prozess des Herrsch­ers König Dionys. Dionys’ Wan­del vom willkür­lichen Tyran­nen zum ein­sichti­gen Fürsten verdeut­licht, dass ethis­che Führung nicht sta­tisch, son­dern prozesshaft und entwick­lungs­fähig ist. Diese Erken­nt­nis deckt sich mit aktuellen Führungs­the­o­rien.

Einen ambiva­len­ten Gege­nen­twurf dazu bietet Goethes ​„Erlkönig” (1782). Die charis­ma­tis­che Fig­ur des Erlkönigs überzeugt durch sprach­liche Ver­führung, emo­tionale Manip­u­la­tion und schein­bare Für­sorge – alles Merk­male, die ober­fläch­lich an Führungsqual­itäten erin­nern. Doch hier fehlt die ethis­che Basis, die das Charis­ma in den Dienst der anderen stellt. Stattdessen miss­braucht der Erlkönig seine Ausstrahlung zu ego­is­tis­chen Zweck­en, was zum Tod des Kindes führt. Lit­er­arisch illus­tri­ert diese Kon­stel­la­tion, was die neuere Forschung als ​„destruk­tive Führung” oder die ​„dun­kle Seite charis­ma­tis­ch­er Führung” beze­ich­net.

Auch Schillers ​„Der Tauch­er” lässt sich unter dem Aspekt ethis­ch­er Führung inter­pretieren. Die Erzäh­lung the­ma­tisiert Mut und Opfer­bere­itschaft, wirft aber zugle­ich Fra­gen nach Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein auf. Während sich der junge Tauch­er selb­st­los ein­er gefährlichen Auf­gabe stellt, sind das Ver­hal­ten des Königs von Eigen­nutz und Macht­demon­stra­tion geprägt. Hier zeigt sich ein Kon­trast zwis­chen ethis­ch­er Selb­st­führung und autoritär­er Mach­tausübung.

Seit mein­er Kind­heit fasziniert mich die Dichtkun­st deutsch­er Bal­laden. Neben ihrem ästhetis­chen Reiz und der sprach­lichen Meis­ter­schaft bieten sie Erzählräume, in denen exis­ten­tielle Gren­zsi­t­u­a­tio­nen und moralis­che Bewährung­sproben verdichtet dargestellt wer­den. Ger­ade diese Kon­stel­la­tio­nen erlauben es, klas­sis­che Bal­laden im Licht mod­ern­er Führungs­diskurse zu betra­cht­en.

Ein ein­drucksvolles Beispiel hier­für ist Theodor Fontanes Bal­lade ​„John May­nard” (1886). Die Geschichte des amerikanis­chen Steuer­manns, der das bren­nende Pas­sagier­schiff ​„Erie” trotz eigen­er Todes­gewis­sheit sich­er ans Ufer lenkt, zeigt ein Mod­ell selb­st­los­er, ver­ant­wor­tungs­be­wusster Führung, das bis heute nichts an Strahlkraft einge­büßt hat.

John May­nard verkör­pert eine Form charis­ma­tis­ch­er Führung, die voll­ständig auf ethis­ch­er Integrität beruht. Seine Ausstrahlung resul­tiert nicht aus rhetorisch­er Bril­lanz oder for­maler Macht, son­dern aus der stillen Größe eines Men­schen, der in höch­ster Gefahr die Ver­ant­wor­tung für andere übern­immt – entschlossen, mutig und selb­st­los. Während die Pas­sagiere von Angst und Panik erfasst sind, bleibt May­nard ruhig. Er äußert keine marki­gen Parolen und insze­niert sich nicht als Held – und doch wird er durch sein Han­deln zu ein­er Führungsper­sön­lichkeit, die über den Tod hin­aus verehrt wird.

In der Bal­lade ste­ht dabei weniger das hero­is­che Pathos im Vorder­grund als die unaufgeregte Kon­se­quenz ethis­chen Han­delns. John May­nard erfüllt seine Pflicht nicht aus Ruhm­sucht oder extrin­sis­ch­er Moti­va­tion, son­dern aus einem tief verin­ner­licht­en Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein gegenüber den Men­schen an Bord. Seine charis­ma­tis­che Wirkung speist sich aus dieser stillen moralis­chen Größe. Dies entspricht dem Ide­al der ​„Ser­vant Lead­er­ship”, wie es in mod­er­nen Führungs­the­o­rien beschrieben wird.

Bemerkenswert ist zudem, dass Fontane den gesellschaftlichen Res­o­nanzraum dieses Han­delns aufzeigt. Die geretteten Men­schen ehren John May­nard posthum und seine Tat wird moralisch über­höht. Damit ver­weist die Bal­lade auf einen weit­eren Aspekt ethis­ch­er Führung: Ihre Wirkkraft ent­fal­tet sich nicht im Moment, son­dern prägt langfristig die Wertege­mein­schaft, die von ihr berührt wird.

So ste­ht ​„John May­nard” am anderen Ende des Spek­trums destruk­tiv­er Führung, wie sie der Erlkönig verkör­pert. Während das Charis­ma des Erlkönigs in Manip­u­la­tion und Verder­ben mün­det, ent­fal­tet es hier seine kon­struk­tive Kraft durch Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein, Integrität und den Ein­satz für das Wohl ander­er.

Bal­laden als ethis­che Reflex­ion­sräume
Die genan­nten Beispiele zeigen: In deutschen Bal­laden wird Führung als moralisch aufge­ladene Kat­e­gorie dargestellt. Sie zeigen nicht nur charis­ma­tis­che Helden oder Herrscher­fig­uren, son­dern beschäfti­gen sich auch mit der Frage, wann Charis­ma zu echter Führungsqual­ität reift – näm­lich dann, wenn es mit ethis­ch­er Ver­ant­wor­tung, Integrität und Gemein­wohlo­ri­en­tierung ver­bun­den ist.

Damit leis­ten Bal­laden einen Beitrag, der über ästhetis­chen Genuss hin­aus­ge­ht: Sie bieten Erzählräume für eine kri­tis­che Auseinan­der­set­zung mit Führungsethik – eine Dimen­sion, die angesichts aktueller gesellschaftlich­er und organ­i­sa­tionaler Her­aus­forderun­gen nichts an Rel­e­vanz ver­loren hat.

Deutsche Bal­laden präsen­tieren ein­drück­lich, dass Charis­ma allein keine aus­re­ichende Bedin­gung für vor­bildliche Führung ist. Erst in Verbindung mit ethis­chen Prinzip­i­en wie Ver­ant­wor­tungs­be­wusst­sein, Integrität und dem Ein­satz für das Wohl ander­er ent­fal­tet charis­ma­tis­che Führung ihre kon­struk­tive Kraft. Gle­ichzeit­ig sen­si­bil­isieren die Bal­laden für die Gefahren charis­ma­tis­ch­er Ver­führung ohne moralis­ches Fun­da­ment. Die lit­er­arischen Fig­uren bieten somit keine unkri­tis­chen Vor­bilder, son­dern kom­plexe Pro­jek­tions­flächen, an denen sich bis heute zen­trale Fra­gen mod­ern­er Führungsethik reflek­tieren lassen.

Kategorie: Essay Stichworte: balladen, charisma, ethicalleadership, fontane, führung, goethe, leadership, literatur, schiller, servantleadership

Eine Analyse von Charisma und Attraktivität

15. April 2025 by Martin Haase

Mar­tin Haase © pri­vat / Insti­tut für charis­ma­tis­ches Führen

Die ver­bre­it­ete Gle­ich­set­zung von Charis­ma mit physis­ch­er Attrak­tiv­ität beruht auf ein­er Fehlannahme, die sowohl psy­chol­o­gisch als auch neu­rowis­senschaftlich nicht halt­bar ist. In meinem Essay ​„Schön, aber stumm — Führung funk­tion­iert nicht im Spiegel“  dif­feren­ziere ich bei­de Konzepte auf der Grund­lage empirisch­er Stu­di­en und neu­rokog­ni­tiv­er Mod­elle. Während Attrak­tiv­ität primär auf biol­o­gis­chen Merk­malen beruht und unbe­wusst über das Beloh­nungssys­tem des Gehirns wirkt (z. B. ven­trales Stria­tum, Nucle­us accum­bens), ist Charis­ma ein sozial-kog­ni­tives Phänomen, das mit Empathie, emo­tionaler Intel­li­genz und kom­mu­nika­tiv­er Kom­pe­tenz verknüpft ist. Neu­rol­o­gisch sind hier ins­beson­dere der medi­ale präfrontale Kor­tex und das tem­poropari­etale Über­gangsare­al beteiligt. Anders als Attrak­tiv­ität kann Charis­ma durch Train­ing gezielt gefördert wer­den. Stu­di­en zeigen, dass charis­ma­tis­ches Ver­hal­ten – ins­beson­dere rhetorische Mit­tel, emo­tionale Res­o­nanz und authen­tis­che Kom­mu­nika­tion – einen sig­nifikan­ten Ein­fluss auf Führungser­folg hat¹. Dage­gen ist der Ein­fluss äußer­er Attrak­tiv­ität auf nach­haltige Führung begren­zt und spielt vor allem in kurzfristi­gen sozialen Sit­u­a­tio­nen eine Rolle². Die klare Unter­schei­dung bei­der Konzepte ist für die Führungskräf­teen­twick­lung sowie für die Kom­mu­nika­tions- und Sozialpsy­cholo­gie von zen­traler Bedeu­tung.

  1. Vgl. John Anton­akis, Mari­ka Fen­ley und Sue Liechti: Can charis­ma be taught? Tests of two inter­ven­tions, in: Acad­e­my of Man­age­ment Learn­ing & Edu­ca­tion 10 (2011), H. 3, S. 374–396.
  2. Vgl. Judith H. Lan­glois u. a.: Max­ims or myths of beau­ty? A meta-ana­lyt­ic and the­o­ret­i­cal review, in: Psy­cho­log­i­cal Bul­letin 126 (2000), H. 3, S. 390–423.

Kategorie: Abstract Stichworte: attraktivität, charisma, führung, icf, leadership

Schön, aber stumm — Führung funktioniert nicht im Spiegel

14. April 2025 by Martin Haase

Von der Ober­fläche zur Tiefe: Charis­ma ver­sus Attrak­tiv­ität im sozialen Kon­text

Charis­ma vs Attrak­tiv­ität © Insti­tut für charis­ma­tis­ches Führen

Zwei dis­tink­te Phänomene mit unter­schiedlichen Wirk­mech­a­nis­men

Die Gle­ich­set­zung von Charis­ma mit physis­ch­er Attrak­tiv­ität ist weit ver­bre­it­et, doch han­delt es sich um zwei klar voneinan­der abgrenzbare Phänomene. Während Attrak­tiv­ität primär auf kör­per­lich-visuellen Merk­malen basiert und tief in biol­o­gis­chen sowie kul­turellen Wahrnehmungsmustern ver­wurzelt ist, beschreibt Charis­ma eine kom­plexe, sozial-kog­ni­tive Wirkung, die vor allem durch kom­mu­nika­tive und emo­tionale Kom­pe­ten­zen ver­mit­telt wird. Die Dif­feren­zierung ist nicht nur the­o­retisch, son­dern auch empirisch und neu­ro­bi­ol­o­gisch fundiert – und besitzt weitre­ichende Imp­lika­tio­nen, ins­beson­dere im Bere­ich der Führungs­forschung.

Biol­o­gis­che Basis und automa­tis­che Wirkung

Attrak­tiv­ität entste­ht zu großen Teilen aus evo­lu­tionär entwick­el­ten Präferen­zen sowie sozialen Ide­al­bildern. Sym­me­trie, Jugendlichkeit und bes­timmte Pro­por­tio­nen gel­ten kul­turüber­greifend als attrak­tiv – wen­ngle­ich es kul­turelle Unter­schiede in der Bew­er­tung geben kann. Neu­rowis­senschaftlich aktiviert physis­che Attrak­tiv­ität primär das Beloh­nungssys­tem des Gehirns, ins­beson­dere das ven­trale Stria­tum und den Nucle­us accum­bens. Diese Areale sind für die unbe­wusste emo­tionale Bew­er­tung zuständig und fördern schnelle, pos­i­tive Reak­tio­nen.
Psy­chol­o­gisch zeigt sich dies im soge­nan­nten Halo-Effekt: Attrak­tiv­en Per­so­n­en wer­den automa­tisch pos­i­tive Eigen­schaften wie Intel­li­genz, Kom­pe­tenz oder Ver­trauenswürdigkeit zugeschrieben – häu­fig ohne über­prüf­bare Grund­lage. Diese Wirkung ent­fal­tet sich unbe­wusst und ist schw­er steuer­bar, was sie in sozialen Inter­ak­tio­nen beson­ders ein­flussre­ich macht.

Soziales Kon­strukt mit kog­ni­tiv­er Tiefe

Im Gegen­satz dazu ist Charis­ma ein erlern­bares und kon­textsen­si­tives Phänomen. Charis­ma­tis­che Per­so­n­en wirken inspiri­erend, glaub­würdig und verbindlich – nicht auf­grund ihres Ausse­hens, son­dern durch ihr Ver­hal­ten, ihren Kom­mu­nika­tion­sstil und ihre emo­tionale Intel­li­genz. Dazu gehören aktives Zuhören, authen­tis­ches Auftreten, eine klare Wer­te­ori­en­tierung sowie die Fähigkeit, durch Sprache Visio­nen zu ver­mit­teln und emo­tionale Res­o­nanz zu erzeu­gen.
Neu­ro­bi­ol­o­gisch ist Charis­ma mit Aktivierun­gen im medi­alen präfrontal­en Kor­tex, dem tem­poropari­etal­en Über­gangsare­al und dem ante­ri­oren cin­gulären Cor­tex ver­bun­den. Diese Areale sind zen­tral für soziale Kog­ni­tion, Empathie und Per­spek­tivüber­nahme – Fähigkeit­en, die wesentlich für zwis­chen­men­schliche Wirkung und Führungskom­pe­tenz sind.

Empirische Dif­feren­zierung und Rel­e­vanz für Führung

Die Unter­schei­dung zwis­chen bei­den Konzepten wird durch eine Vielzahl empirisch­er Stu­di­en gestützt. John Anton­akis kon­nte in exper­i­mentellen Unter­suchun­gen zeigen, dass charis­ma­tis­che Kom­mu­nika­tion – etwa durch die bewusste Nutzung rhetorisch­er Mit­tel wie Meta­phern, kon­trastieren­der Aus­sagen oder moralis­ch­er Appelle – sig­nifikant stärk­er mit wahrgenommen­er Führungswirkung kor­re­liert als äußere Attrak­tiv­ität. Charis­ma ist dem­nach kein ange­borenes Per­sön­lichkeitsmerk­mal, son­dern ein Bün­del erlern­bar­er Fähigkeit­en.
Auch eine Meta-Analyse von Judith H. Lan­glois et al. zeigt, dass kör­per­liche Attrak­tiv­ität zwar kurzfristige Vorteile in sozialen Inter­ak­tio­nen mit sich bringt, für langfristi­gen Führungser­folg oder nach­haltige zwis­chen­men­schliche Bindun­gen jedoch kaum auss­chlaggebend ist. Entschei­dend sind hier soziale Kom­pe­ten­zen, emo­tionale Intel­li­genz und authen­tis­ches Ver­hal­ten – klas­sis­che Ele­mente charis­ma­tis­ch­er Wirkung.

Kom­mu­nika­tion schlägt Ästhetik

Die Unter­schei­dung zwis­chen Attrak­tiv­ität und Charis­ma ist nicht nur begrif­flich rel­e­vant, son­dern hat weitre­ichende prak­tis­che Kon­se­quen­zen – ins­beson­dere in der Auswahl und Entwick­lung von Führungsper­sön­lichkeit­en. Während Attrak­tiv­ität biol­o­gisch deter­miniert und in ihrer Wirkung schw­er steuer­bar ist, eröffnet Charis­ma ein entwick­lungs­fähiges Poten­zial: Es ist trainier­bar, kon­textab­hängig und basiert auf klar iden­ti­fizier­baren Ver­hal­tensweisen.
Charis­ma­tis­che Wirkung entste­ht nicht durch äußere Schön­heit, son­dern durch die Fähigkeit, Men­schen emo­tion­al zu erre­ichen, ihnen Ori­en­tierung zu geben und durch authen­tis­che Kom­mu­nika­tion Ver­trauen zu stiften. Wer Charis­ma mit Attrak­tiv­ität ver­wech­selt, unter­schätzt die soziale Kom­plex­ität zwis­chen­men­schlich­er Wirkung – und vergibt die Chance, Führungsqual­ität gezielt zu fördern.

Charis­ma vs Attrak­tiv­ität — © Insti­tut für charis­ma­tis­ches Führen

Lit­er­aturverze­ich­nis
Anton­akis, John / Fen­ley, Mari­ka / Liechti, Sue: Can charis­ma be taught? Tests of two inter­ven­tions, in: Acad­e­my of Man­age­ment Learn­ing & Edu­ca­tion 10 (2011), H. 3, S. 374–396.
Lan­glois, Judith H. / Kalaka­nis, Lisa / Ruben­stein, Adam J. / Lar­son, Andrea / Hal­lam, Mon­i­ca / Smoot, Mon­i­ca: Max­ims or myths of beau­ty? A meta-ana­lyt­ic and the­o­ret­i­cal review, in: Psy­cho­log­i­cal Bul­letin 126 (2000), H. 3, S. 390–423.
Lieber­man, Matthew D.: Social cog­ni­tive neu­ro­science: A review of core process­es, in: Annu­al Review of Psy­chol­o­gy 58 (2007), S. 259–289.
Zeki, Semir / Romaya, John-Paul: Neur­al cor­re­lates of hate, in: PLoS ONE 3 (2008), H. 10, e3556.

Kategorie: Charisma und Führung Stichworte: attraktivität, charisma, führung, kommunikation, leadership

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